Indolente systemische Mastozytose (Nr.1)

17. März 2019

Ich wurde 1975 geboren und habe gesundheitlich eine normale Kindheit und Jugend genossen. Mit ca. 17 /18 Jahren vielen mir leichte Flecken am Oberkörper auf, die meines Erachtens wohl Leberflecken sein mussten. Schleichend begann meine Haut an zu jucken, vor allem nach dem Duschen bzw. Abtrocknen. Da dies nach 5 Minuten wieder verschwand und der Mensch tatsächlich ein Gewohnheitstier ist, gab ich auch dem wenig Beachtung.

Mit ca. Anfang/ Mitte Zwanzig ging ich doch mal zu unserem ortsansässigen Hautarzt, um sicher zu gehen, dass es sich nicht um irgendetwas Beunruhigendes handeln könnte. Die Flecken wurden etwas mehr, sind aber im Verhältnis zu den meisten anderen Betroffenen nicht so extrem und dunkel.  Der Arzt schaute sich das an und meinte: Nichts Schlimmes, alles gut! Mit dieser für mich erfreulichen Diagnose ging ich wieder nach Hause und freute mich weiter meines Lebens!

Im normalen Alltag merkte man schon, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich war oft müde, reagierte hier und da mit kurzzeitigem  „schnupfen“ auf Dinge die ich gegessen, getrunken oder gerochen habe. Auch der Stuhlgang war alles, nur nicht normal. Ab und zu juckte die Haut und da war „nur nicht kratzen“ das Mittel der Wahl.

Auffällig wurden allerdings meine Rückenbeschwerden seit dem ich ca. Zwanzig war. Ok, ich hatte zu dieser Zeit einen Körper strapazierenden Beruf (Heizungsbauer), aber nichts desto trotz empfand ich das als zu heftig und nicht normal für mein Alter. Mit 23 wurde dann mein erster Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule diagnostiziert. Ein paar Wochen Krankengymnastik und das Thema war vom Tisch… vorerst. Zwei Jahre später: Bandscheibenvorfall Lendenwirbelsäule, dasselbe Prozedere wieder, wochenlange Krankengymnastik. Weiter  
Gelenkprobleme wie Knie, Handgelenk, Schulter oder Ellenbogen folgten und wurden immer als „Überlastung“ abgetan und mit Bandagen gestützt. Nur die Schulter wurde angespritzt, das war auch das erste und letzte mal.

2010 war für mich ein turbulentes Jahr. Wir haben uns ein Haus gekauft und dieses komplett saniert. Neben meiner Arbeit, welche zu diesem Zeitpunkt bereits Schichtarbeit war, habe ich 5 Monate gefühlt rund um die Uhr gearbeitet. Anfang 2011 bekam ich dann die Quittung: keine Kraft mehr in den Armen, die Beine fühlten sich auch komisch an, irgendetwas stimmte nicht! Nach meinem Besuch beim Orthopäden und anschließender CT Untersuchung stand fest: Der alte Bandscheibenvorfall in der HWS war wieder da, bzw. schlimmer und die Wirbelkörper waren bereits verformt. Wiedermal das Mittel der Wahl: Krankengymnastik! Mit jeder Behandlung wurde es schlimmer und schlimmer, es war sogar soweit, dass mir Dinge unkontrolliert aus der Hand rutschten. Es vergingen 6 Wochen, da verlangte ich eine Überweisung zum Neurochirurgen. Somit fuhr ich zur UK Aachen, um meine Beschwerden abklären zu lassen. Dort konnte man es sich auch nicht erklären und war der Meinung, dass ein CT nicht aussagekräftig genug wäre. Man sähe, dass dort was nicht stimmt, aber welche Auswirkung es hätte nicht. Also zurück, um ein MRT zu bekommen. Dies klappte tatsächlich noch am selben Tag. Die Radiologin wollte mich schon nicht mehr nach Hause lassen und mir einen Krankenwagen rufen, weil die Bandscheibe komplett ausgerutscht war und en Spinalkanal abdrückte. Eine Woche später war ich wieder in der UKA, dort war dann alles sehr eindeutig und ich sollte eine Woche später in den OP. Zuhause angekommen ging dann direkt das Telefon mit der Anweisung, morgen früh mit gepacktem Koffer zu kommen, da übermorgen die OP wäre. Der Chefarzt hat sich meine Bilder angesehen und dies angewiesen, da jede falsche Bewegung oder Belastung mich in den Rollstuhl verfrachten könnte.

Genau mit dieser OP fingen meine Probleme mit der Mastozytose an. Direkt am  Abend nach der OP bekam ich extremes Sodbrennen. Während der OP Vorbereitung bekam ich vom Anästhesisten einen Hinweis auf meine Flecken. Er meinte, er wüsste Bescheid und ich solle danach mal dringend zum Hautarzt. Das dringend zum Hautarzt dauerte drei Jahre. Schuld war eine längere Genesung mit anschließendem Jobwechsel. Schon während der Reha fing es an mit Schlafprobleme und auch Bier schien ich nicht mehr so zu vertragen wie noch im Vormonat vor der OP. Ich musste auch plötzlich während des Essens dringend zur Toilette, was auch neu war für mich. 

Anfang 2014 musste meine Frau einen Termin beim Hautarzt zur Krebsvorsorge machen. Daraufhin fiel mir das Gespräch mit dem Anästhesisten wieder ein. Ich wies meine Frau an, für uns beide einen Termin zu machen. Wie es bei Fachärzten so üblich ist, mussten wir knapp 3 Monate warten. Am Tag der Hautkrebs vorsorge war ich vom Arzt sehr überrascht: es war der Sohn des damaligen Hautarztes, welcher meinte, dass es nichts Schlimmes wäre. Diesem vielen meine leichten Flecken sofort auf und frug nach, ob meine Haut juckt und ob sie dick würden, wenn ich an diesen Stellen kratze. Dies konnte ich bestätigen. Es äußerte die Vermutung auf kutane Mastozytose und wollte, wenn der Sommer vorüber ist, eine Probe der Flecken einschicken und verabschiedete mich mit den Worten: Bitte nicht im Internet nachgucken. Das wird sie nur beunruhigen. Seltsamer Weise hab ich mich an diesen Hinweis gehalten. Ende 2014 wurde dann die Hautstanze gemacht und kurze Zeit Später war das Ergebnis da: es war kutane Mastozytose. Eine Blutabnahme ergab dann auch einen Tryptase Wert von 25. Er überwies mich zur Uniklinik nach Köln.

Anfang 2015 bekam ich dann einen Termin in der Mastozytose Sprechstunde an der UK Köln. Dort angekommen war die Schwester schon verwundert, dass ich nicht mehr in der Mastozytose Sprechstunde eingetragen war. Kurze Zeit drauf fand ich mich in einem Behandlungszimmer wieder und es kam dort eine junge Ärztin hinein. Diese war neugierig auf meine Hautflecken und meinte dann, es wäre so selten, sie würde sich jetzt erst mal einlesen und ich sollte solange Fotos machen gehen. Das Bilder machen in Kliniken ist bei seltenen Erkrankungen normal. Das war der Zeitpunkt, an dem ich anzweifelte, ob ich dort richtig war. Zwei Stunden später kam die junge Ärztin auf mich zu und meinte, dass sie mich gerne dem Professor vorstellen würde. Ok, wenn es mich weiter bringt machen wir das, hab ich erwidert. Eine weitere Stunde später fand ich mich in einem Raum wieder mit ca. 20 Medizinstudenten und dem besagten Professor. Dort durfte dann jeder mal gucken und mit einem Holzspartel mal kratzen. Danach bekam ich ein Rezept über Antihistaminika und dem Hinweis, wenn es schlimmer werden würde oder mein Gesicht anschwillt, solle ich die mal nehmen, aber man nimmt mir noch Blut ab. Bei der Blutabnahme machte ich dann etwas meinen Unmut laut, der Pfleger wunderte sich, dass man mich hat kommen lassen. Es würde keine Mastozytose mehr behandelt werden, da die die Ärztin die UK Köln verlässt.

Zurück zum Hautarzt und ihm das erzählt. Daraufhin bat er mich mit den Hautärzten im Uniklinikum Aachen Kontakt aufzunehmen und dort einen Termin zu machen. Gesagt, getan. Das ging alles innerhalb weniger Wochen und ich saß einer sehr netten Dermatologin gegenüber. Diese begutachtete meine Flecken und hörte sich an, was ich zu sagen hatte und welche Probleme ich durch die vermutete systemische Mastozytose habe. Zum Abschluss wieder mal eine Blutabnahme und dann bekam ich noch die Telefonnummer von deren Tagesklinik, welche die weiterführende Diagnostik machen würde. Dazu noch der Hinweis, dass es ein Patientensymposium geben wird und dort auch die Mastozytose vorgestellt wird. 

Die Termine für die weiterführenden Untersuchungen dauerten etwas. Im Gegensatz zur Poliklinik war die Tagesklinik nicht so schnell. Der Tag des Patienten Symposium kam und meine Frau und ich nahmen teil, hörten uns an, was systemische Mastozytose ist, wie sie entsteht usw. Unter anderem hielt Frau Prof. Dr. Hartmann einen Vortrag und wurde vorgestellt als Ärztin der UK Köln, welche die Mastozytose Sprechstunde dort machte. Ich erklärte daraufhin, dass ich dort war und was dort gelaufen war und würde mich wundern, dass sie hier als Ärztin der UK Köln vorgestellt wurde. Sie erzählte dann, dass sie gerade an eine andere Uniklinik wechselte und es in Köln erstmal nicht weitergehe (das ist bis heute so).

Es folgten Wochen der Ungewissheit und warten auf Termine. Als erstes waren dann die Magen- und Darmspiegelung dran. Das war soweit ok und brachte keinen besonderen Hinweis auf Mastzellinfiltration. Kurz darauf wurde dann die Knochenmarkpunktion gemacht, die in meinem Fall alles andere als schmerzfrei war. Ich bin trotz der Gabe von Dornikum vor Schmerzen wach geworden. Aber auch dieses hat man überstanden.  Das Problem des wach werden lag eventuell an einer vorherigen OP und der Narkose der Magen und Darmspiegelung.

Mittlerweile sind weitere 4 Jahre vergangen und das Leben mit der Mastozytose wird nicht leichter. Regelmäßige Besuche in der Uniklinik Aachen und die Symptome wurden im Laufe der Zeit mehr. Sport ist nicht mehr möglich, da mein Körper mit extremer Erschöpfung reagiert, längere Spaziergänge mit den Hunden gehen auch nicht mehr, da nach ein paar Minuten die Beine schmerzen und die Muskulatur ein Weitergehen unmöglich macht. Es kommt durch Gerüche und Nahrungsmittel zu plötzlichen Durchfällen, was natürlich die Freizeitaktivitäten extrem einschränkt. Dazu immer wiederkehrende Gelenkschmerzen, Nerven und Muskelschmerzen. Freunde verstehen nicht, warum man nicht mehr mit feiern geht, oder kein Bier mehr mit ihnen trinkt. Man bekommt öfters gesagt, dass es ja nicht so schlimm sein kann, man würde mir ja nichts ansehen. Ich antworte darauf immer: Wir können ja mal einen Tag tauschen. Wenn du den überstehst reden wir weiter!

Wir leiden still und lassen uns nichts anmerken. Wir leben unser Leben so gut wie es geht!

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